Ludolf STAAB, Brunnen Inspektor: "Geschichte Marienbads von der aeltesten Zeit bis zur Gegenwart", Erste Wiener Vereins-Buchdruckerei, Selbstverlag, Wien 1872" - S. 18 - 38

Zweite Periode

Geschichte Marienbads von Nehr bis zum Jahre 1818

Diese Periode erzählt die Geschichte Marienbads von Doctor Nehr bis zum Jahre 1818, in welchem Marienbad als öffentlicher Curort erklärt wurde.

§ 1.

Johann Josef Nehr - der medizinische Gründer

Johann Josef Nehr, "der medizinische Gründer" (so wird Nehr auf dem 1857 nahe dem Kreuzbrunnen ihm zu Ehren errichteten Monumente genannt), oder wie ihn Heidler nennt, "der Vater Marienbads", war geboren in der Stadt Tepl, am 8. Mai 1752. Der talentvolle Knabe besuchte die lateinischen Schulen im benachbarten Kloster und studierte dann, vom Stifte unterstützt, in Prag Medizin. Der damalige Abt Christof Graf von Trautmannsdorf (1767-1789) liess ihn auf seine Kosten graduiren, ernannte ihn zum Ordinarius seines Stiftes und empfahl ihm "die besondere Pflege der Auschowitzer Quellen" (Worte des Anstellungsdekretes vom Jänner 1780.)

Diess zeigt zur Genüge, dass das Stift den Werth dieser Quellen richtig erkannte und Nehr die Anregung zu ihrer Pflege vom Stifte erhielt. Wenn das Stift trotzdem in den ersten Jahrzehnten nicht so viel tat, als Nehr wünschen mochte, so lag der Grund in den beschränkten Mitteln desselben und in den Zeitverhältnissen.

Von dieser Zeit an beginnt nun die Wirksamkeit Nehr's für Marienbad. Seine Verdienste um die Emporbringung des Kurortes treten in ein um so helleres Licht, wenn man die Hindernisse in's Auge fasst, die sich seinen Bestrebungen entgegenstellten.

Die Hindernisse der Entstehung Marienbads

Einmal bot schon (1) das wüste Terrain grosse Schwierigkeiten, zu deren Beseitigung bedeutende Geldopfer erforderlich waren. Sodann hatte Nehr (2) den mächtigen Widerspruch der damaligen Wissenschaft (damaliges Brownianische System war nämlich die anerkannte medizinische Maxime der Zeit), gegen welche sich seine Bestrebungen notwendig kehren mussten, zu überwinden. Doch diese und ähnliche Befürchtungen vermochten weder seinen Eifer zu schwächen, noch seinen Mut zu beugen. Nehr machte unablässig Versuche mit den Mineralwässern an Kranken, sammelte die gemachten Erfahrungen über deren Wirkung und suchte mit Hinweis darauf das Stift zur Erbauung von Bad- und Wohnhäusern zu bewegen und da er auf diesem Wege nicht so schnell, als er wünschte, zum Ziele gelangte, baute er selbst das erste bessere Wohnhaus, um durch sein Beispiel Andere zur Nachahmung anzueifern. Endlich nach beinahe 24jährigem unermüdlichen Forschen und Beobachten machte er das Resultat seiner Erfahrungen in seinem Buch - "Beschreibung der mineralischen Quellen zu Marienbad bei Auschowitz" (Karlsbad 1813, 2. Auflage - 1817) bekannt.

Heidler sagt von diesem Werke: "Es war das erste Buch, das der Welt einen Kurort Marienbad nannte. Süsse Worte und brunnenschriftliche Hyperbeln mangelten ihm gänzlich. Der medizinische Teil war rein praktisch. Die schlichte Sprache der Wahrheit allein hat es verkauft und Kranke und Neugierige auch aus fernen Gegenden nach Marienbad geführt." (HEIDLER C.J. "Marienbad nach eigenen bisherigen Beobachtungen und Ansichten ärztlich dargestellt" - Wien 1822 2. B. - pag.215 - II.Band).

Welcher Art die Schwierigkeiten waren, mit denen Nehr zu kämpfen hatte, auf welche Weise er sie überwand und wie er endlich seine rastlosen und uneigennützigen Bemühungen mit manch' schönem Erfolge gekrönt sah, wird der freundliche Leser nicht ohne Interesse aus Nehr's eigenen Worten ersehen. Ich werde darum im Folgenden zum öfteren Nehr selbst sprechen lassen.

§ 2.

Nehr beschreibt das Terrain

"Im Jahre 1779" - erzählt Nehr - "sah ich als bereits angehender und im Stifte Tepl stabilirter Ordinarius zum ersten Male diese brunnenreiche Gegend."

"Wie erstaunte ich, als ich dieses verwilderte, ringsum mit steilen Bergen und finstern Wäldern dicht eingeschossene Tal, in welchem diese Quellen ihr heilbringendes Wasser so reichlich ergiessen, betrat!! Alles, was man sah, erregte Furcht, Widerwillen und Abscheu. Berge und Täler, Wasserrisse und Gesümpfe, Stein- und Sandhügel, vermoderte Stöcke und Windbrüche wechselten unausgesetzt unter einander ab."

"Ausser einer alten hölzernen, den Einsturz drohenden Hütte, in der zwei eiserne zur Bereitung des im Kreuzbrunnen reichlich enthaltenen Glaubersalzes bestimmte Kessel auf einem Herde eingemauert standen und einer gleichfalls hölzernen rohen uralten Einschränkung des Kreuzbrunnens fand und sah man nichts, was Menschenhände gemacht hätten."

"Man denke sich eine derlei verwüstete, finstere, ganz menschenlose Einöde, in welcher einzig wilde Tiere, Holzfrevler, Raubschützen und Räuber zu hausen schienen und man wird, man muss sich wundern, dass dessenungeachtet sich doch jährlich zur Sommerzeit, vorzüglich an Sonn- und Feiertagen, freilich nicht einzeln, sondern in Gruppen versammelte Menschen aus Liebe zu ihrer Gesundheit dahin wagten, einige Stunden allda ausharrten und den Kreuzbrunnen nur oft mit Ungebühr zu 15-20 Seideln tranken." (Ohngefähr 30 bis 40 Brunnenbecher der jetzigen Form!)

"Diess bewiesen die zahllosen Inschriften dieser ehehin hier gewesenen Curgäste, mit welchen ich alle Wände der besagten hölzernen Einschränkung dieses Brunnens beschrieben fand. Man schrieb mit Kreide, Kohle oder Bleistift den Namen, Wohnort, manchmal die Krankheit, oft die Maß des getrunkenen Wassers, ja oft auch die Zahl der erfolgten Entleerungen darauf und reiste so eilig als möglich wieder ab."

"Diese Mannigfaltigkeiten der Inschriften erinnerten mich oft an den heidnischen Tempel Aesculaps auf der Insel Co, in welchem zu jenen finsteren Zeiten, als die Heilkunde zu werden begann, gleichfalls die Namen der Kranken, ihre Gebrechen und die Heilmittel, welche dawider mit Vorteil oder Nachtheil gebraucht wurden, mit Genauigkeit beschrieben und aufbewahrt wurden."

Seine erstes glücklichen Kuren

"Der damalige menschenliebende Herr Stiftsabt Christof Hermann Graf zu Trautmannsdorf entschloss sich 1780 mit einigen seiner Stiftsgeistlichen, allda die Brunnenkur zu gebrauchen. Wir bewohnten ein vom Stifte drei Stunden, von diesem unserem Kurorte eine halbe Stunde entlegenes, dem Stifte zugehöriges Schlösschen, Hammerhof genannt. Täglich besuchten wir des Morgens bei günstiger Witterung diese Quelle, um unmittelbar das Wasser aus ihr trinken zu können."

"Ich fand die Wirkung dieses Kreuzbrunnens sowohl bei dem Herrn Abte als seinen Stiftsgeistlichen wirklich auffallend gut. Er öffnete mit geringen Gaben zwei- bis dreimal täglich den Leib, machte gute Esslust, bewirkte normalmässige Verdauung, Heiterkeit und einen erquickenden Schlaf."

"Als wir 1781 aus der nämlichen Absicht wieder dieses Schlösschen bewohnten und eines Morgens zu diesem unseren Lieblingsbrunnen fuhren, kam uns unweit besagten Brunnens im Walde ein sehr grosser, eisgrauer Mann entgegen, der um Almosen bat. Auf die Frage wer er sei, woher er käme und was er hier suche - war seine Antwort: er sei ein Lettengräber von der Herrschaft Chotieschau. Namens Gubernat; er habe gestern seinen 40jährigen Sohn, der während des Lettengrabens vor einigen Monaten sei verschüttet, am Kreuz gequetscht und dadurch an den übrigen Gliedmassen gelähmt worden, auf einem Schubkarren hierher gebracht, um hierorts mittelst des Gebrauches der Bäder Hilfe zu suchen."

"Da zur Aufnahme derlei Hilfsbedürftiger hierorts nichts ausfindig gemacht werden konnte, so unterbrachte dieser Greis seinen elenden Sohn in jener Hütte, in welcher besagte zwei eiserne Kessel eingemauert standen. Ich fand diesen kummervollen Sohn wirklich so, wie der Vater sagte, auf beiden Füssen gelähmt allda auf etwas Moos und Stroh liegen. Mein Rath war, ungeachtet ich keine so auffallende Heilkraft von diesem unseren Badewasser (Marienbrunn) erwartete, dass der Vater in einem der zwei Kessel das Wasser des Marienbrunnens wärmen, im anderen aber mit dem kalten Marien- brunnwasser mischen und in diess lauwarme Bad seinen Sohn setzen, das Kreuz und die Füsse fortwährend mittelst eines wollenen Lappens reiben, auch ausser der Badezeit den beschädigten, gequetschten Ort, da mir die Wirkung des Badschlammes noch unbekannt war, mittelst dieses mit Badewasser getränkten Lappens lauwarm bähen solle."

"Der so mitleidige, als wohltätige Herr Abt unterstützte diese Elenden und Brodlosen während ihres hierortigen Aufenthaltes als Vater der Armen reichlich."

"Und siehe, der Gelähmte fing an, sich wirklich zu bessern, so zwar, dass er nach 12tägigem Gebrauch unserer Bäder schon mittelst zweier Krücken unterstützt seine Füsse heben, einige Schritte gehen, nach 28 Tagen aber schon ohne jede physische Beihilfe sein Almosen aus den Händen des so wohltätigen Herrn Abtes selbst abholen, innigst dafür danken und unter vielen Gotteslobungen mit seinem ehrwürdigen Vater nach seiner Heimat gesund zurückkehren konnte."

"Das war mehr, als ich erwartete. Wer die Hartnäckigkeit der Lähmung der unteren Extremitäten und die Schwierigkeit, selbe zu heilen, kennt, sie mag von äusseren oder inneren Ursachen herrühren, der wird mit mir übereinstimmen, dass dieser Fall allein genügte, um zu den grössten Erwartungen. von den heilsamen Wirkungen dieses Brunnens zu berechtigen."

"Ich hatte, als ich durch diese Tatsache von dieser unerwarteten Wirkung unserer Bäder überzeugt war, keinen wichtigeren Wunsch, als dass hier Hütten zur Aufnahme der Presshaften erbaut und mir Gelegenheit gegeben werden möchte, weitere praktische Versuche hiemit anzustellen. Ich nahm mir zugleich vor, diese einst dem löblichen Publikum vorzulegen, um dadurch diese Wässer bekannter und der leidenden Menschheit nutzbarer zu machen."

"Ob ich diesem meinen Vorsatze getreu blieb, kann und wird nur Jener entscheiden, der unbefangen alles Dasjenige zu würdigen wissen wird, was ich nun bald in chronologischer Ordnung vortragen werde."

§ 3.

Fortsdauernde Waldreservation

Nehr erzählt im Folgenden seine weiteren Bemühungen, um die hiesigen Mineralwässer im Dienste der hilfesuchenden Kranken zu verwerten. Der eben erwähnte eklatante Fall einer selbst ihm unerwarteten Heilung veranlasste Nehr, den Abt Trautmannsdorf zu ersuchen, er möge in der Nähe des Marienbrunnens ein mit Badestuben versehenes Gasthaus erbauen lassen. Der Abt ging bereitwillig darauf ein und traf auch sogleich Anstalten zur Ausführung; allein das Gebäude blieb unvollendet. Der Grund davon lag in der mehrmals erwähnten, noch immer bestehenden Waldreservation.

Denn Abt Trautmannsdorf sagt in einer amtlichen Eingabe wörtlich: "Dass die Aufführung der hiezu benötigten Gebäude wegen den dort befindlichen reservirten Waldungen meistens gehindert sei, gleichwie es sich bei Aufführung des bis zum Dach stehenden Badegebäudes per 28 Klafter lang ergeben."

Der Abt bot nun Alles auf, um dieses der Emporbringung unserer Quellen entgegenstehende Hinderniss zu beseitigen. Durch die Bemühung einflußreicher Freunde besonders seines Verwandten des Hofkammer-Präsidenten im Münz- und Bergwesen Franz Grafen von Kolowrat, setzte er es durch, daß die Reservation um die Ablösungssumme von 11.000 fl. behoben und dem Stifte die freie Verwaltung aller bisher reservirten Waldungen zurückgegeben wurde - 9. Dezember 1786.

Die erster Ansiedler

Inzwischen hatte Abt Trautmannsdorf auf Nehr's und des Stiftssekretärs Sales Würnitzer Ansuchen zwei armen Untertanen - Anton Fischer und Wenzel Hammer - die Bewilligung zur Ansiedelung erteilt. Sie erbauten zwei hölzerne Häuschen links vom Kreuzbrunnen.

(Die Fussnote) Das eine stand ober-, das andere unterhalb des später erbauten Nehr'schen Hauses "Zur goldenen Kugel". Das obere "Drei Lilien" stand auf dem Platze des jetzigen Hauses "Zum Strauss" und wurde dorthin übertragen, wo später Halbmayr's Kaffeesalon und letzthin das palastähnliche "Maison Halbmayr" aufgeführt wurde. Das untere "Zum grünen Baum" wurde auf den Platz hinaufgerückt, den noch jetzt das Haus gleichen Namens einnimmt.

"Wie froh, wie wohlgemut war ich" - ruft Nehr aus - "als diese Häuschen stunden! Man sah itzt doch in dieser fürchterlichen Wildniss Menschen, konnte Hilfe suchen, zur Not übernachten." Der Besuch der Leidenden wurde alsbald häufiger und manche hielten sich mehrere Tage auf.

Nach dem Tode des Abtes Christof von Trautmannsdorf (+ 5. Februar 1789) durfte das Stift zu keiner neuen Abtwahl schreiten, sondern erhielt kraft der Verordnungen Kaisers Josef II. einen sogenannten Commendatar-Abt (abbé commendataire) in der Person des Strahöver Chorherrn und Professors der Theologie, Ambros Schmidt. Dieser liess auf Nehr's Vorschlag die neben dem Kreuzbrunn stehende, zur Salzabdampfung bestimmte, ganz baufällige Hütte abtragen und für denselben Zweck etwas rechts vom Kreuzbrunn ein neues, gleichfalls hölzernes Gebäude aufführen

(Die Fussnote) Dieses Gebäude wurde nach einander als Wohnung des Försters, als Restauration für Israeliten und, endlich hier abgetragen und unterhalb Marienbads auf Auschowitzer Gemeindegrund aufgestellt, als Wohnung des Ziegelbrenners benützt.

Auch erteilte er einem Müller (Isaak Kohnhäuser) die Erlaubniss zur Anlegung einer Mahl-.und Brettmühle unterhalb der genannten zwei Häuschen und eines Waffenhammers in etwas weiterer Entfernung.

(Die Fussnote) Die Mühle stand beiläufig auf dem Platze, den jetzt die Häuser "Stadt Dresden" und "Stadt Regensburg" einnehmen. Dieselbe Richtung verfolgte nämlich damals der Bach. Übrigens wurde die Mühle schon nach einigen Jahren wieder abgerissen.

Nehr wandte nun in Gemeinschaft mit dem erwähnten Sekretär Sales Würnitzer, nachdem das Stift die benötigten Baumaterialien unentgeltlich bewilligt hatte, allmählig seine ganze Aufmerksamkeit und Sorgfalt dem Kreuzbrunnen zu und suchte demselben sowohl ein gefälligeres Aussehen zu geben, als auch seinen Gehalt durch Abdämmung wilder Wässer zu verbessern. Hören wir ihn selbst darüber berichten.

(Die Fussnote) Ohne den unleugbaren Verdiensten Nehr's um den Kreuzbrunnen im mindesten nahe treten zu wollen, kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, dass Nehr noch im Jahre 1787 unentschieden war, welcher der Auschowitzer Quellen der Vorzug gebühre, ja es scheint, dass er sich damals mehr auf Seite der Eisensäuerlinge hingeneigt habe, denn nach einem im Stiftsarchiv vorfindlichen Aufsatz klassifizirt Nehr die Auschowitzer Quellen in folgender Ordnung:

1) der vorzüglichste ist der sogenannte Potta, welcher wegen seiner stärkenden, häufigen Eisenteilchen dem Spaawasser ganz und vollkommen ähnlich ist;

2) ist der Ambrosianerbrunnen, der wegen der enthaltenen Faumluft als sehr geistig den Pyrmonter Wässern gleichkommt;

3) ist der Kreuzbrunnen wegen enthaltenen Salzteilchen den Egrischen mineralischen Wässern ähnlich, besteht aus einem mineralischen Laugensalz, etwas Kiesel und einer Menge Glaubersalze und etwas Eisen, ist auflösend, abführend;

4) Marienbad, der bloss äusserlich anzuwenden und in Hautkrankheiten von grossem Nutzen ist, ist schwefelleberartig und eisenhältig und mit vieler Faumluft geschwängert;

5) die Salzlacke enthält vorzüglich Kuchelsalz."

Gestützt auf diese Ansicht sandte Nehr den Pottasäuerling und Ambrosiusbrunn in Flaschen gefüllt nach Prag an den Professor der Chemie, Dr. Mikan, welcher jenen gut, diesen verdorben fand, die Ursache hievon aber in der ungenauen Füllung suchte und durch persönliche Dazwischenkunft die Sache zu fördern versprach. Ich habe diese Ansicht Nehr's beigesetzt, weil ich sie noch in keiner Schrift über Marienbad vorfand.

Fassung des Kreuzbrunnens

Doctor Nehr selbst darüber berichtet:

"Wir liessen also auf gemeinschaftliche Kosten in diesem Jahre die sumpfige Gegend um den Kreuzbrunnen mittelst Abteichungen austrocknen, diese Quelle vor wilden Wässern sichern, jene selbst mit polirtem Serpentinstein aussetzen, die Gegend um diesen Brunnen mit ordentlichen an gemauerte Säulen befestigten Stachetten und einem anschliessenden Häuschen, welches bei ungestümer Witterung den Kurgästen zur Trinkzeit zum Schirme dienen sollte, einfassen und eine mit einer Glocke versehene Kapelle, sowie alles dieses heute noch allda vollständig zu sehen ist, herstellen.

Ich glaubte hiemit einen grossen Schritt vorwärts getan zu haben. Denn dieser Brunnen sah nun niedlich und reinlich her, fiel Jedem von ferne in die Augen, wurde nun öfter besucht, mit Wohlgefallen getrunken und empfahl sich seiner trefflichen Wirkung wegen stets mehr und mehr."

(Die Fussnote) Bei dieser Gelegenheit wurde oberhalb des bogenförmigen Einganges ein eisernes Kreuz aufgestellt, das alte hölzerne aber beseitigt.

Abt Raymund Hubl (1791-1801)

Da Kaiser Leopold II. den Ordenshäusern mit Beseitigung der Commendatar-Aebte das alte Recht der freien Wahl ihrer Vorsteher zurückgegeben hatte, so wurde auch in Tepl ein neuer Abt gewählt, Raymund IV. Hubl (1791-1801), vorher Pfarrer in Littitz. Unter ihm setzte Nehr seine Bemühungen zu Gunsten Marienbads fort, konnte jedoch nichts weiter erreichen, als dass das oben erwähnte hölzerne Salzsudgebäude eine zweite Etage erhielt und in der Nähe des Marienbrunnens ein kleines aus vier Abteilungen bestehendes Badehäuschen von Holz aufgeführt wurde. Dies war die erste, allerdings sehr primitive Badeanstalt in Marienbad.

Abt Chrysostomus Pfrogner (1801-1812)

Unter dem neuen Abte Chrysostomus Pfrogner, früher Professor der Theologie zu Prag, Rector der Universität und Direktor der theologischen Studien, schöpfte Nehr neue Hoffnungen für die Realisirung seiner Wünsche. Diese Wünsche gingen zunächst dahin, dass ein entsprechendes Bade- und Gasthaus errichtet und die Erlaubniss zur Ansiedelung in dem neuen Kurorte nur wohlgesitteten und arbeitsamen Künstlern und Handwerkern erteilt werde, Nehr wollte dadurch ebenso den Bedürfnissen der hier weilenden Kurgäste entgegenkommen, als die neuen Kolonisten selbst vor Not sichern.

Allein die sehr beschränkten Mittel des Stiftes, die überdiess bei den lang andauernden Kriegen bedeutend für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen wurden, die Uebernahme der Lehranstalten in Pilsen, sowie des Pfarr- und Schulpatronats auf der Domaine Chotieschau (ehemaliges Frauenstift des Ordens) gestatteten vorläufig nicht, grössere Summen auf ein Unternehmen zu verwenden, dessen Gelingen noch immer mehr als zweifelhaft schien.

Nehr´s Wohnhaus

Nehr entschloss sich nun, selbst Hand an das Werk zu legen, d. h. ein Haus teils zur eigenen Wohnung, teils zur Aufnahme von Badegästen zu bauen. Hören wir ihn darüber selbst:

"Bis hieher, wie zu ersehen, war weder eine anständige Wohnung für einen gebildeten Kurgast, noch für mich, wenn ich aus Liebe zur leidenden Menschheit auf meine Kosten dahin reisen, mich allda einen oder mehrere Tage aufhalten, meinen Rath den Presshaften mitteilen und die Wirkung der Wässer abwarten wollte, hier vorfindig. Ich entschloss mich daher im Jahre 1804 ein zur Aufnahme einiger Kurgäste und zu meiner eigenen Bequemlichkeit vollkommen entsprechendes Haus, als das erste seiner Art, hierorts zu erbauen. Nach eingeholter herrschaftlicher Erlaubniss, wie und wo es mir beliebt, bauen zu können, wählte ich, um nahe bei Menschen in dieser Wildniss zu sein, den eingeschränktesten Ort, nämlich jenen, welcher zwischen den zwei zu Zeiten des Herrn Abtes Grafen zu Trautmannsdorf erbauten hölzernen Häuschen wüst und öde lag. Da dieses Jahr die benötigten Baumaterialien und sonstige unentbehrliche Baugerätschaften beigeschafft wurden, so fing ich diesen in mehrerer Hinsicht für mich sehr kostspieligen Bau im nächstfolgenden Jahre an und stellte dieses mein zur bequemlichen Aufnahme der Kurgäste hinlänglich eingerichtetes, in 14 teils kleineren, teils grösseren Zimmern und 2 Küchen bestehendes Haus im Jahre 1807 vollkommen her . So wie mein Haus stund, so mehrte sich schon die Zahl der vom In- und Ausland herkommenden Kurgäste gleich im ersten Sommer so, dass mein Haus und die zwei alten Häuschen sammt dem Salzsiederhaus nicht hinreichten, diese gehörig unterbringen zu können; viele mussten ihre Unterkunft auf den Böden unter den Dächern nehmen."

(Die Fussnote) Dieses Haus, "Zur goldenen Kugel" genannt, wurde nach Nehr's Tod von dessen Erben im Jahre 1821 vom Stifte angekauft und dem Brunneninspektor als Wohnung angewiesen. Es stand bis 1842, wo es abgerissen und auf demselben Platze das jetzige Gebäude aufgeführt wurde.

"Die vier kleinen Badestübchen reichten gleichfalls nicht zu, die benötigte Zahl von Bädern denen hier zahlreich anwesenden Kurgästen verabfolgen zu können; daher Unzufriedenheit, Murren und Klagen stets lauter wurden."

Um diesem so dringend gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, entschloss sich das Stift, noch in demselben Jahre 1807 ein neues grösseres Badhaus aufzuführen. Dasseit. konnte bereits im folgenden Jahre benützt werden und enthielt acht Badestuben im Parterre und fünf Wohnzimmer im ersten Stockwerke. Da man nebenbei das ältere mit vier Badestuben versehene Gebäude für die ärmere Klasse bestehen liess, so waren jetzt 12 Badekabinete disponibel.

§ 4.

Der Name Marienbad

Da um diese Zeit der Name des neuen Kurortes "Marienbad" schon hin und wieder gebraucht wurde, so soll in dem Folgenden Einiges über dessen Entstehung, sowie über die Gemeindeangelegenheiten der neuen Kolonie und über das Badeleben, wie es sich im ersten Dezennium des 19. Jahrhundertes gestaltete, beigebracht werden.

Schon bei Zauschner (1766) wird die Badequelle als Marienquelle angeführt. Sie erhielt diesen Namen von dem Marienbilde, welches ein durch den Gebrauch der Bäder genesener Soldat aus Dankbarkeit an einem nahen Baume befestiget haben soll. Nehr nennt sie das Marienbad; eben so Schaller in seiner "Topographie von Böhmen" (Prag 1788).

Die neue Kolonie selbst hiess im Munde der umliegenden Landbewohner: Säuerling, im hiesigen Dialekte Sarg'n, auch Sauerbrunn (unter diesem Namen erscheint der Ort in den Kirchenbüchern von Auschowitz), nach dem gesalzenen Brunnen, dem Kreuzbrunnen, - oder man nannte sie Stenker nach der Marienquelle. Allmählig wurde aber der Name dieser letzteren, welche wie eben bemerkt, gewöhnlich "das Marienbad" hiess, auf den ganzen Ort übertragen. Es bildete sich so der Name Marienbad, wie man zu sagen pflegt, gewissermassen von selbst, ohne dass von irgend einer Seite eine besondere Anregung dazu gegeben worden wäre.

Gemeindeverhältnisse

Die wenigen seither gebauten Häuser waren zur Nachbargemeinde Hammerhäusel conscribirt und unterstanden dem dortigen Ortsvorsteher, damals "Richter" genannt. Die ersten Ansiedler, soweit ihre Namen aus den Matriken der Pfarre Auschowitz, wozu Marienbad sammt Hammerhäuseln gehörte, ersichtlich gemacht werden können, waren seit 1791 folgende:


Isaak Kohnhäuser, Müllermeister auf dem Sauerbrunnen, auch Salzbrunnen Nr. C. 29.
Wenzel Hammer, Häusler beim gesalzenen Säuerling, Nr. 32.
Lorenz Bayerl, Schneider in dem herrschaftlichen Hause auf dem Sauerbrunnen, Nr. 33.
Johann Baier, Häusler und Weber bei dem Sauerbrunnen, Nr.33.
Maximilian Felbinger, obrigkeitlicher Förster auf dem Forsthause bei dem Sauerbrunnen, Nr. 31.
Johann Seidl, Schneidermeister vom Sauerbrunnen, Nr. 30.
Josef Lehrl, Pächter des Dr. Nehr'schen Hauses.
Anton Fischer, Häusler vom Sauerbrunnen, Nr. 30.

(Die Fussnote) Diese Hausnummern reihten sich an jene der Hammerhäuseln an; denn Marienbad zählte damals nur 5 - 6 bewohnte Häuser oder vielmehr Häuschen.

§ 5.

Das damalige Badeleben (1808) nach Danzer

Der Leser kann sich wohl aus den bisherigen Schilderungen ein ziemlich getreues Bild von dem damaligen Zustande Marienbads entwerfen. Um dasselbe zu vervollständigen und zugleich eine Beschreibung des Badelebens, wie es sich unter solchen Umständen gestalten musste, zu geben, lasse ich im Folgenden einen Augenzeugen erzählen, welcher zweimal in den Jahren 1808 und 1812 Marienbad besuchte und später die Geschichte dieses Kurortes schrieb, den 1862 verstorbenen Dr. Adalbert Danzer.

"Im Jahre 1808" - schreibt er, - "schickte mich Dr. Köstler (Stadtphysikus in Eger) wegen Krampfanfällen, welche von Würmern entstanden, als studierenden Knaben nach Marienbad. In Begleitung meines Onkels, der an der Leber und meines jüngeren Bruders, der an Rheumatismus der Knie- und Fussgelenke litt, reisten wir von unserem Geburts- und Wohnort (Sangerberg, 1 1/2 Meile entfernt) nach dem - nach alter Gewohnheit des Landvolkes sogenannten - Stenker. Wir fuhren gegen 8 Uhr Früh aus und kamen gegen 12 Uhr Mittags, also erst nach einer vierstündigen Fahrt hier an. Ich kann nicht Worte finden, den damaligen Zustand des Weges zu schildern. Bis Rojau war er zwar schlecht, doch fahrbar; aber von Gallusbach (recht: Gallitzenbach) rechts gegen den Wald hin wurde er immer schlechter und an manchen Stellen war gar keine Bahn. Der Onkel konnte es auf dem Wagen nicht mehr aushalten, er stieg ab, was auch ich gerne getan hätte; allein ich musste beim Bruder, der nicht gehen konnte, sitzen bleiben. Waren wir Knaben schon durch die bisher überstandenen Mühseligkeiten ganz kleinlaut geworden, so stieg unsere Angst noch höher, als wir im Walde auf der Höhe angekommen einen sehr steil abwärts führenden Graben vor uns sahen, in welchem das Bergwasser zur Zeit des Regens zwei grosse Furchen von ungleicher Tiefe gezogen hatte und hörten, dieser Graben sei der Weg, der uns zum Stenker führen sollte. Die zwei hinteren Räder des Wagens wurden gesperrt und nur, nachdem wir Knaben unzählige Male wie zwei Ballen gegen einander geworfen worden und die Pferde oft an die Seitenwände des schauerlichen Hohlweges hingestürzt waren, kamen diese schnaubend und mit Schweiss bedeckt, wir aber froh über das Ende des gefahrvollen Weges hier an. Wir suchten Unterkunft und diese war nicht leicht zu finden, obschon nur wenige Gäste (im Juni) da waren."

"Nehr's Haus (heute Zur goldenen Kugel), das Badehaus (dann altes Traiteurhaus, das oberhalb des nördlichen Flügels des alten Badehauses stand und wurde im Jahre 1844 abgetragen) und ein Haus "Zum Prinzen" waren damals die besten Häuser; die übrigen, vier an der Zahl, waren von Holz und unansehnlich. Die zwei kleinsten davon, welche wir schon als Nehr's Nachbarhäuschen kennen lernten, wurden später (1821-1823) abgetragen und auf andere Plätze übersetzt, wo sie heute noch unter dem Schilde "der grüne Baum" und "die drei Lilien" (dann Maison Halbmayr) stehen. Die zwei anderen etwas grösseren Häuser waren auch nur von Holz. Eines derselben war die Mühle, welche in der Gegend der heutigen zwei Häuser "Zur Stadt Dresden" und "Regensburg" stand. Der Schneiderbach und Steinhaubach bildeten den Mühlbach, welcher an derselben Stelle über grosse Steine sich hinstürzte, wo man jetzt bequem an Klinger's Gasttafel speisen und an ganz andern Flüssigkeiten sich erfreuen kann. Im Jahre 1819 wurde die Mühle abgetragen und dafür eine andere ganz neue in dem südlichen Ausschnitt von Marienbad gebaut. Das andere etwas grössere Haus war das Salzsiedehaus beim Kreuzbrunnen, welches später zur Försterwohnung, dann zum Judentraiteurhause eingerichtet, endlich ganz abgetragen und bei der herrschaftlichen Ziegelhütte gegen den Ferdinandsbrunnen wieder aufgebaut worden ist. Es dient noch jetzt dem Ziegelbrenner zur Wohnung und erinnert lebhaft an den Styl, in welchem damals gebaut wurde; nur soviel ist davon geändert, dass das äussere Fachwerk vertafelt worden ist." (Ist bereits rasirt.)

"Wir drei Patienten mussten uns mit einer niedrigen Stube in einem von den kleinen zwei Häuschen in Nehr's Nachbarschaft begnügen. Bettstätten waren nicht zu haben. Unser Wirth, Anton Fischer, Holzheger, schlug uns eine gemeinschaftliche Lagerstätte auf nach der Art, wie sie in den Militärwachstuben zu finden ist. Es wurde Stroh zur Unterlage gegeben und unsere mitgebrachten Betten, welche Vorsicht Nehr noch 1817 den Gästen anriet, darauf gebreitet. Eine alte Person, die wir zur Bedienung mitgenommen, kroch in ein elendes Dachkämmerchen. Das Aufbringen der Lebensmittel unterlag ebenfalls grossen Schwierigkeiten. Unsere alte Dienerin hatte zugleich für den Magen zu sorgen; sie kochte uns Gerichte, zu denen wir die Vorräte mitbrachten und welche uns von Zeit zu Zeit vom Hause nachgeschickt wurden.

Bei günstiger Witterung bereitete unser Doppeldomestique das Mahl beim Feuer im Freien, bei Regenwetter aber in einer kleinen finsteren Küche, auf dem Boden ganz niedergebeugt oder knieend. Wir tranken Kreuzbrunnen und badeten nach Nehr's Anordnung." " .

"Zu jener Zeit gab es keine grosse Promenade, in welcher die Kurgäste unter traulichen Gesprächen auf und nieder wandeln konnten; sie waren genötiget, die hie und da gelegenen trockenen Plätze aufzusuchen, um die erforderliche Bewegung machen zu können. Fichten, Erlen und andere Bäume standen zerstreut umher und waren nicht alleemässig hergestellt, um den Brunnentrinkern kühlenden Schatten zu gewähren. Die Ermüdeten konnten nicht auf bequemen Bänken oder Stühlen ausruhen; statt deren benützten sie den nächsten besten grossen Stein oder Holzstock und manche lagerten sich in´s Gras. Kein grossartiger Brunnensaal, sondern ein kleines hölzernes Gebäude in der Form eines Gartenhäuschens nahe am Kreuzbrunnen gewährte bei ungünstiger Witterung Schutz. Bei diesem Brunnen sah man viereckige niedrige Holzstacketen und nicht die heutigen hohen Steinsäulen. Die Trinkgeschirre waren von verschiedener Form und Material, keine zierlichen Becher von Krystall und Porzellan. Granit gab es wohl in der Nähe, aber nicht in förmige Stücke zu Stufen und Platten gemeisselt. Kein Orchester ergötzte das Ohr, bloss die befiederten Waldbewohner liessen ohne Directeur ihre Stimmen ertönen. Statt des Rasselns englischer Karossen hörte man das Klappern der Mühle und statt des Horns des eiligen Postillons jenes des ruhigen Hirten von ferne. Selten sah man edle Rosse auf schlechten Wegen; aber um so häufiger jagten edle Hirsche vorüber, die sich nächtlicher Weile auch an dem Salze labten, welches in der Nähe des Kreuzbrunnens an den Steinen, wie auch jetzt an den Säulen, sich häufig anlegte."

"Damals waren auch keine Handelsboutiquen; erst später wurden hölzerne Stände aufgeschlagen, um zu kaufen und zu verkaufen; jetzt bieten 34 hallenartige Läden die verschiedenartigsten und schönsten Waaren zum Verkaufe dar. Die damaligen Fontainen waren in ihren Naturbehältern als Pfützen, Lacken und Sümpfe gefasst und nicht im kreiselnden Bogen oder steigenden Strahl getrieben. Holzstangen standen da und dort zur Einschränkung aufgestellt, nicht gezimmert und in gerader Richtung gereiht. Die Brücken über die Bäche waren nicht von Stein und von Holz gleichmässig zusammengesetzt und mit festen Geländern versehen, sondern sie bestanden aus runden, rohen Baumstämmen, die den Darübergehenden durch heftiges Schauckeln nicht geringe Furcht verursachten: Kurz man sah hier überall noch eine zum Teil sehr grossartige Natur, welche wohl zu einer kurzen Betrachtung, keineswegs aber zu einem wochenlangen Aufenthalte einlud. Wenig nur war ihr die Kunst zu Hilfe gekommen; erst vor kurzer Zeit vereinigten sich beide, um die wilde Einöde in eine freundliche Gartenanlage zu verwandeln."

"Badehäuser bestanden damals auch schon zwei, ein grosses und ein kleines wie jetzt, aber welcher Contrast! Das grosse war in dem gegenwärtigen alten Traiteurhause, aus 8 kleinen düsteren Badestübchen bestehend, in denen hölzerne Wannen mit zwei Ständern und Hähnen zum kalten und warmen Wasser sich befanden; links vom Eingange war die Gaststube, welche dem Bademeister auch zugleich als Kanzlei und den Badenden als Ruhesaal diente. Das kleine Badehaus stand unter diesem ohngefähr in der Mitte des alten hinteren Teiles des jetzigen grossen Badehauses. :Es gewährte einen überaus ärmlichen Anblick. Kein Schloss an der Türe, ein hölzerner Riegel war dessen Stellvertreter, schlechte Dielen auf dem Boden, kein Licht durch ein Fenster; nur spärlich waren die elenden Stübchen (4 an der Zahl) durch eine Oeffnung ober der Türe, jedoch ohne Glas, erhellt. Eine schmutzige Wanne in der Ecke, in der der Badende sich zu verunreinigen fürchten musste; die Gardinen von einem Tierchen verfertiget, das zwar spinnt und webt, aber dessenungeachtet nicht sehr in Gunst zu stehen pflegt. Aus-serhalb sah man an mehreren Stellen die löschpapierartigen Paläste der Wespen angebracht, denen nichts im Wege stand, dem Kurgaste in der Wanne einen Besuch zu machen oder wenigstens drohend um sein Haupt zu schwärmen. In einer kleinen Entfernung standen im Freien zwei Kessel statt der Dampfmaschinen eingemauert, in denen das Wasser zum Bade gewärmt, das kalte aber in Eimern zugetragen wurde. Die Lahmen wurden nicht in Portechaisen, sondern auf schlechten Schubböcken in's Bad gefördert."

"Die Zerstreuungen im Verlaufe des übrigen Tages waren für die damaligen Badegäste ganz einfach. Um doch einige Bewegungen zu machen, wozu die Wege überall noch unbequem waren, ergriffen Viele Säge und Hacke, um das Holz zu spalten, das zur Erwärmung des Badewassers nötig war. An gemeinschaftlichen Gasttafeln konnte man damals nicht Teil nehmen, sondern jeder Kurbrauchende musste sich nach den Umständen richten; der Eine ging in's Gastzimmer im Badehause und begnügte sich mit dem, was er fand und was er geniessen durfte; der Andere nahm an dem Tische seines Hauswirthes vorlieb; die Mehrzahl liess sich die mitgebrachten Viktualien, so wie wir es taten, in ihrer Wohnung bereiten."

"Was uns zwei Knaben betraf, so fanden wir viel Vergnügen daran, wenn wir unserem Wirthe beim Sprengen der Granitblöcke zusehen konnten. Mit gespannter Aufmerksamkeit warteten wir von ferne, bis der Schuss losgehen würde. Eilig liefen wir sodann hin und während das Echo den Knall vervielfachte, sahen wir neugierig, in wie viele Stücke der Steinblock zersprengt worden sei. Eine andere Freude machte mir (mein Bruder durfte noch nicht so weit gehen) unser Wirth, wenn er mich auf den Fischfang mitnahm. Da wurde die Mühe reichlicher belohnt als jetzt, indem damals im reinen Quellwasser der Bäche die schönsten goldbesternten Forellen spielten, die man jetzt nur aus weit entfernten Gegenden um teueres Geld zur Zierde der Tafeln herbeischaffen muss."

"So war im Jahre 1808 der Ort beschaffen, von dem wir darum auch nach einem vierwöchentlichen Aufenthalte recht gerne Abschied nahmen. Bei meinem Onkel stellte sich die Besserung nicht gleich ein, er trank noch Kreuzbrunnen zu Hause, worauf wohlthätige Krisen eintraten, die ihn bedeutend erleichterten. Mein Bruder besserte sich allmälig, seine Schmerzen waren geringer, er fing schon an, sicherer und leichter zu gehen; in kurzer Zeit konnte er auch grössere Strecken zurücklegen und in einigen Wochen kam ihm keiner von seinen Kameraden im Laufen und Klettern gleich. Von meinen unheimlichen Gästen im Unterleib gingen hier mehrere ab, worauf die Krampfanfälle weniger heftig und seltener wurden und später ganz verschwanden."

§ 6.

Die Fortschritte in Marienbad

Nach dieser Beschreibung Marienbads und seines Badelebens aus dem Jahre 1808, welche an Anschaulichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, wollen wir die weiteren Veränderungen, beziehungsweise Verbesserungen und Verschönerungen, welche unser Kurort noch in dieser Periode und zwar vom Jahre 1808-1818 erfahren hat, vorführen.

Marienquelle

Die Marienquelle wurde gereinigt, im Innern mit Pfosten, vertäfelt, von aussen mit einem Geländer umgeben und unweit davon Keller, Stall- und Wagenremise gebaut; das zwischen der Marienquelle und dem Kreuzbrunnen gelegene sumpfige, von Gräben durchschnittene, mit Baumstöcken, Gebüschen und Steinen bedeckte, beinahe unzugängliche Terrain wurde trocken gelegt, teilweise geebnet und so wenigstens in einen gang- und fahrbaren Weg umgewandelt. Bei diesen Planirungsarbeiten fand man eine eisenhältige Mineralquelle, den Neubrunn; später Karolinenbrunn genannt. Einzelne Promenadewege durchschnitten bereits die Wiesenfläche und eine Strasse führte zu dem benachbarten Hammerhof. Der Neubrunn (1811) und der Ambrosiusbrunn (1812) erhielten tempelartige, auf Säulen ruhende Kuppeldächer. Die Zahl der Häuser wurde in den Jahren 1808-1812 um 6 neue vermehrt. Bei der von Jahr zu Jahr steigenden Frequenz der Badegäste erwies sich das erst kürzlich aufgeführte Badehaus bereits als unzureichend; man musste an die Aufführung eines grösseren gehen (1810-1812). (Es ist dieses ein Teil des jetzigen alten Badehauses und zwar der nach Nord und West gelegene Flügel.)

Dieses Badehaus zählte 16 Badekabinete und in der ersten Etage 10 Wohnzimmer mit einer Küche. Das Stift verpachtete dasselbe um 600 fl. Bankozettel jährlich (beiläufig einige 50 fl. der jetzigen Währung). Das frühere Badehaus (Traiteurhaus) wurde im Jahre 1815 in ein Gasthaus umgewandelt und an Pächter überlassen. (Einer der ersten Pächter seit 1815 war Albert Klinger, später Gründer des allbekannten Etablissements gleichen Namens.) Dieses "Altes Traiteurhaus" ward im Jahre 1844 abgebrochen und der Platz regulirt, wodurch die früher verdeckte Marienquelle gefälliger hervortritt.

So hatte Marienbad in dem ersten Dezennium des 19. Jahrhundertes und bis zum Tode des Prälaten Chrysostomus Pfrogner (+ 28. September 1812) grössere Fortschritte gemacht, als früher in einem Jahrhundert. Die Bahn war gebrochen, die bedeutendsten Schwierigkeiten waren überwunden. .Es bedurfte nun eines scharfsichtigen Geistes, der die Verhältnisse von einem weiteren Gesichtspunkte aufzufassen verstand und einer tatkräftigen Hand, welche die noch vorhandenen Hindernisse zu bewältigen vermochte - mit einem Worte, Marienbad brauchte, um das zu werden, was es seinen Heilschätzen nach werden konnte und sollte, einen eben so eifrigen als freigebigen Gönner und diesen erhielt es in der Person des neugewählten Abtes von Tepl, Karl Reitenberger (+ 21. März 1860 zu Wilten in Tirol).

§ 7.

Abt Reitenberger (1813-1827)

Unter Abt Reitenberger, welcher schon als Sekretär seines Vorgängers die Seele aller zu Gunsten des Kurortes gemachten Vorschläge und ausgeführten Pläne war, nahm Marienbad einen ungewöhnlich raschen Aufschwung. Nehr begrüsste seine Wahl mit inniger Freude und sagte mit grosser Zuversicht vorher, dass "die Menschheit und jeder gut und billig denkende Kurgast bis in die entfernteste Zeit hier sein Andenken segnen werde. Und Prälat Reitenberger rechtfertigte vollkommen das in ihn gesetzte Vertrauen.

(Die Fussnote) Doctor Nehr veröffentlichte nämlich in demselben Jahre 1813 seine 34jährigen Erfahrungen in der schon angeführten Brunnenschrift, von welcher 1817 die zweite Auflage erschien. In diesem rein praktischen Werke wird Marienbad das erste Mal als Kurort genannt. Nehr hält es noch für notwendig, zur näheren Bezeichnung Marienbads beizusetzen: "nahe bei dem Dorfe Auschowitz." Zehn Jahre später schon las man auf der Adresse der Briefe, welche aus der Ferne in das Stift Tepl kamen: "Tepl bei Marienbad".

Parkanlagen

Mit unermüdlichem Eifer und bewunderungswürdiger Ausdauer setzte Abt Reitenberger das unter seinem Vorgänger begonnene Werk der Kultivirung Marienbads fort. Selbst das Hungerjahr 1817 brachte hierin keinen Stillstand. Reitenberger suchte Marienbad in einen reizenden Park zu verwandeln, um den Städtebewohnern beim Kurgebrauche die Annehmlichkeiten des Landlebens zu bieten. Zuerst wurden die Wiesengründe von deren Besitzern in Auschowitz um namhafte Summen eingelöst. Und nun ging et an die Arbeit. Bäume wurden gefällt, Stöcke ausgerodet, Sümpfe entwässert, Kanäle angelegt, Hügel abgetragen, Steine, ja ganze Felsmassen weggeschafft, Baumgruppen und Alleen gepflanzt, Promenadewege und Strassen hergestellt. Auf den Rath des 1817 zur Kur anwesenden Fürsten Isidor Anton Lobkowitz, der sich viel für Marienbad interessirte, bei der Parkanlage nach einem einheitlichen, mit der grossartigen Natur im Einklange stehenden Plane vorzugehen, gewann Abt Reitenberger den von dem Fürsten empfohlenen Parkgärtner Wenzel Skalnik (+ 1861), welcher sich seiner Aufgabe vollkommen gewachsen zeigte und derselben zur allgemeinen Zufriedenheit entledigte. Auch die Regierung wandte nun ihre Aufmerksamkeit dem neu aufblühenden Kurorte zu und besonders war es der damalige Oberstburggraf (Statthalter) von Böhmen, Franz Graf Kolowrat-Liebsteinsky, welcher den Abt Reitenberger in seinen Bestrebungen ermunterte und bestärkte.

(Die Fussnote) Das dritte Mal schon begegnet uns in der Geschichte Marienbads der Name Kolowrat. Ein Kolowrat wird als der erste Kurgast Marienbads genannt; ein Kolowrat war es, dessen Verwendung die für den Kurort so einflussreiche Behebung der Waldreservation unter dem Abte Trautmannsdorf zu danken ist und wieder ist es ein Kolowrat, der als Landeschef den aufblühenden Kurort in seinen mächtigen Schutz nahm.

Fassung des Kreuzbrunnens

Die im Jahre 1790 von Nehr vorgenommene Fassung des Kreuzbrunnens befand sich nach dessen eigenem Geständnisse bereits "in einem zerrütteten Zustande". Im Jahre 1817 erhielt derselbe nun die erste kunstgerechte Fassung und wurde mit dem nahe gelegenen, im Gehalte ganz gleichen sogenannten Brechsäuerling zu einer Quelle vereinigt. (Er erhielt diesen Namen daher, weil sein Wasser wegen Mangel an Abfluss ein trübes Aussehen hatte und getrunken Ekel erregte.)

Hierauf beauftragte Graf Kolowrat den k. k. Bergrath F. A. Reuss in Gemeinschaft mit Professor Steinmann, die physikalisch-chemischen und medizinischen Eigenschaften sowohl des Kreuzbrunnens, als auch der übrigen damals bekannten Marienbader Heilquellen zu prüfen und mit denen analoger Kurorte zu vergleichen.

Analysen

Dieser Arbeit waren jedoch schon frühere Untersuchungen vorhergegangen. Carl Brem, damals Provisor der Stiftsapotheke, hatte nämlich alle Marienbader Quellen. einer Analyse unterzogen, deren Resultat Nehr in die erste Auflage seiner "Beschreibung von Marienbad" aufnahm (1813); eine zweite von demselben in Gemeinschaft mit seinem Bruder vorgenommene (1814) Analyse veröffentlichte Nehr in der zweiten Auflage seines Werkes (1817). Der Bergrath Reuss schrieb. über Marienbad eine eigene Abhandlung, in welcher er das Ergebniss seiner Untersuchung mitteilte und dieselbe mit schätzbaren medizinisch-praktischen Bemerkungen begleitete (Reuss, F. A. Das Marienbad bei Auschowitz auf der Herrschaft Tepl. Prag 1818). Nun wurden unsere Mineralwässer, besonders der Kreuzbrunnen an ärztliche Celebritäten und Krankenhäuser versendet, um durch anzustellende Versuche ihre Wirkungen allseitig zu erproben und das Vertrauen zu ihrem Gebrauche zu stärken.

Neubauten

Im Orte selbst wurde mehr und mehr für die Unterkunft und Bequemlichkeit der Badegäste Sorge getragen. Das frühere Badehaus wurde, wie schon bemerkt, in ein Gasthaus (Altes Traiteurhaus) umgewandelt und den Händen tüchtiger Pächter übergeben, welche es an nichts fehlen liessen, um die Zufriedenheit der Gäste zu verdienen. Um neue Ansiedler herbeizuziehen und die Baulust zu wecken, wurden sehr günstige Bedingungen zugesichert in der Ueberlassung der Baugründe sowohl, als der zum Aufbau benötigten Materialien. So stieg denn auch bis zum Jahre 1818 die Zahl der Häuser auf 16, unter denen das "zum Kaiser von Oesterreich" das erste zweistöckige und ansehnlichste war. Jedoch sollte nach der ursprünglichen Absicht des Prälaten Reitenberger die Zahl der Häuser vierzig nicht übersteigen; diese hielt er für zureichend, um unter den günstigsten Eventualitäten dem Bedürfnisse vollkommen zu entsprechen

(Die Fussnote) Merkwürdig ist, dass Nehr, welcher früher das Stift zur Ueberlassung von Baugründen drängte, bereits 1818 den Abt Reitenberger dringend bat, keine weiteren Bauplätze zu vergeben, weil ihm die Bade- und Trinkquellen für eine vermehrte Zahl von Gästen unzureichend schienen.

Eigene Gemeinde (1812)

In Folge der grösseren Häuserzahl und der vermehrten Population wurde Marienbad, welches früher zum Dorfe Hammerhäuseln conscribirt war, zu einer selbstständigen Gemeinde erklärt und erhielt seinen eigenen Gemeindevorsteher (1812).

Kurlisten

Mit der vermehrten Häuserzahl steigerte sich auch die Frequenz der Badegäste von Jahr zu Jahr. Die erste, jedoch geschriebene Kurliste (die erste gedruckte erschien 1818) datirt aus dem Jahre 1815 und zählt 187 Nummern, die zweite vom folgenden Jahr 1816 zählt 379 Nummern und die dritte vom 1817 zählt 235 Nummern.

In der ersten Liste finden sich grösstenteils Gäste aus der Umgegend, darunter viele Arme und Israeliten; in den beiden andern treffen wir bereits Namen aus weiterer Ferne und Personen vom hohen Adel.

Nach allen diesen mehrjährigen Veranstaltungen glaubte Prälat Reitenberger - überdiess von mehreren Seiten aufgefordert - den Zeitpunkt gekommen, um bei der Regierung die Erhebung Marienbads zu einem öffentlichen Kurorte beantragen zu können (1817). In Folge seines Ansuchens wurde im folgende Jahre in Marienbad selbst eine Commission unter dem Vorsitze des Gubernialrates (späteren Präsidialgesandten beim deutschen Bundestage in Frankfurt) Freiherrn von Münch-Bellinghausen, welcher auch Abt Reitenberger und der Pilsner Kreishauptmann Breinl von Wallerstern beiwohnten, abgehalten.

Marienbad wird zu einem öffentlichen Kurorte erklärt (1818)

Da die Commission nach eingehender Prüfung aller diessbezüglichen Verhältnisse den Beschluss fasste, das Ansuchen des Abtes zu befürworten, so erfolgte noch in demselben Jahre 1818, 6. November zur grossen Freude Reitenbergers die Erledigung seitens der Regierung, der zufolge Marienbad zum Range eines öffentlichen Kurortes mit allen einem solchen nach den bestehenden Landesgesetzen zukommenden Rechten erhoben wurde.

(Fortsetzung.)

Empfohlene Literatur:

ŠVANDRLÍK Richard: "250 let doktora Nehra" - Internetová Hamelika, vlastivědné čtení pro Mariánské Lázně a okolí, čís. 1.-2./2002 z 15.dubna 2002 - monotématické dvojčíslo k jubileu Johanna Josefa Nehra (www.hamelika.cz)

 

(Fortsetzung.)

 

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