Ludolf STAAB, Brunnen Inspektor: "Geschichte Marienbads von der aeltesten Zeit bis zur Gegenwart", Erste Wiener Vereins-Buchdruckerei, Selbstverlag, Wien 1872" - S. 59 - 62 

Fünfte Periode

  Marienbad unter dem Stiftsabte

Melchior Mahr (1836-1842)

§ 5.

Brunneninspektor Melchior Mahr neuer Stiftabt

Sein Nachfolger war Melchior Mahr (7. Juli 1836 bis 9. September 1842), vorher Brunneninspektor in Marienbad. Abt Mahr hatte in seiner früheren Stellung durch beinahe zehn Jahre hinreichend Gelegenheit, sich mit den Anforderungen und Bedürfnissen eines Kurortes vertraut zu machen, kannte zudem genau die speciellen Verhältnisse Marienbads. Er erfüllte auch vollkommen die Hoffnungen, welche die Bewohner Marienbads an seine Wahl geknüpft hatten. Denn er setzte die von seinen Vorgängern im Interesse des Kurortes unternommenen Arbeiten in ruhmwürdiger Weise fort, bewahrte stets seine Vorliebe für Marienbad und verweilte hier gerne in den Sommermonaten.

Altes Badehaus erweitert

Die wiederholt erweiterten Badehäuser konnten dem Andrange nur schwer Genüge leisten. Abt Mahr liess an das alte Badehaus eine neue lange Front anbauen und während die erste Etage zu Wohnungen bestimmt wurde, das ganze Parterre zu Badekabinen einrichten und neue Erwärmungsapparate aufstellen (1839). Die Zahl der Badelogen für Marienquellbäder stieg nun auf 47 und jene für Moorbäder auf 16; die Gesammtzahl mit Einschluss der Gas- und Dampfbäder und der für die Armen eingerichteten Badestuben betrug 80.

Neues Badehaus

Im Jahre 1841 liess er auch das neue Badehaus um 4 Kabinen vermehren, so dass dieses nun 14 Badezimmer und ein Douchebad enthielt. Die Erwärmungsapparate wurden aus der eigentlichen Badeanstalt in ein eigenes rückwärts aufgeführtes Gebäude (Kesselhaus) verlegt.

Waldquelle

Da der 1827 hergestellte Ueberbau der Waldquelle sich schadhaft zeigte, wurde er abgetragen und ein neuer auf 16 Säulen ruhender Tempel in geschmackvollem Style aufgeführt, zugleich die Umgebung des Brunnens verschönert (1840)

Aerztlicher Personenstand

Zu den hier praktizirenden Aerzten kamen im Laufe dieser Jahre die Doktoren: Alois Schneider seit 1839, A. Hanisch (1841 und 42), Samuel B.Lucka seit 1841 und Emil Kratzmann seit 1842 (+ 1867).

§ 6.

Promenadewege

Auch auf die Verschönerung des Ortes und seiner Umgebung wurde sorgfältig Bedacht genommen. Die früher schon begonnenen Promenadenwege durch den Wald gegen die Karlsbader Strasse und von da rechts gegen den Kreuzberg (Waldschlucht) und links über den anderen Bergrücken (Kleine Schweiz, früher Dachsbau) wurden fortgesetzt und die öden Plätze mit Laubholz bepflanzt (1836). Auf der letzteren Partie finden sich ungeheure Granitblöcke, wie sie in der Urzeit im Orte selbst vorkamen, theils zerstreut, theils in grösseren Massen gruppirt. Eine dieser Gruppen und zwar die grösste von allen wurde zum Andenken an den zweimaligen Besuch (1834 und 1835) des Mitregenten, späteren Königs Friedrich von Sachsen, der hier an den Quellen Genesung und an der Flora Marienbads Vergnügen fand, Friedrichstein genannt und mit folgender Inschrift geziert (1837): "naIaDes saLVtares restItVere, fLora opVLenta obLeCtaVIt saXonIae regeM."

Fernsichten

Auf der Anhöhe oberhalb des Friedrichsteines wurden mehrere Pavillons errichtet, welche die Beschwerde des Hinansteigens durch eine reizende Fernsicht über Marienbad und weiter nach Süd und West bis an die Grenze Böhmens reichlich lohnen; es sind dies die Hirtenruhe, der Franzensberg (Diese Gloriette wurde später, weil der emporgewachsenen Bäume wegen keine Aussicht mehr bietend, abgetragen.), der Mecsery-Tempel, dann auf der höchsten Kuppe des Steinhaues die Friedrich Wilhelmshöhe (zur Erinnerung an die Anwesenheit des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preussen). Ein wahrhaft grossartiges Panorama eröffnet sich von dem eine Stunde entfernten Podhorn, einem 2635 Wiener Fuss über der Meeresfläche gelegenen Basaltkegel, welcher durch eine bis an den Fuss des Berges führende Strasse leicht zugänglich ist. Die herrliche Perspektive, welche man vom Podhorn geniesst, hat der frühere Brunneninspektor Paul Frey aufgenommen und in einer Lithographie veröffentlicht.

Neubauten

Unter den vom Abte Mahr vollendeten, der Bequemlichkeit und dem Vergnügen des Kurpublikums gewidmeten Bauführungen ist noch zu nennen die Vergrösserung und zweckmässigere Adaptierung des Promenadensaales, welcher gegen die Kreuzbrunnenpromenade zu 12 neue Fenster erhielt, somit heller und freundlicher wurde, die Fortsetzung der Boutiquen gegen den Karolinenbrunnen und die Erbauung des Kursaales.

Kursaal

Dieses letztere ebenso grossartige als geschmackvoll dekorirte Lokale wurde am 29. Juni 1841 durch einen Ball zum Besten des Kurhospitales inauguriert. Acht Tage später feierten darin die hier anwesenden Russen das Geburtsfest ihres Kaisers und wieder nach acht Tagen veranstaltete der Prinz Heinrich LXXII. von Reuss-Lobenstein eine Unterhaltung. Der Kursaal bildet den Abschluss des neuen Badehauses auf der einen Seite, während das auf der anderen gelegene Gebäude in der oberen Etage zur Wohnung des Bademeisters und im Parterre zu einem Lesesaal bestimmt wurde.

Lesekabinet

Das Lesekabinet, in den vorhergehenden Jahren (seit 1837) im Versendungshause untergebracht, wurde in dem neuen Lokale in der Saison 1842 eröffnet.

Vermehrung der Häuser

Auch die in Marienbad zwischen den einzelnen Häusern hie und da noch wahrgenommenen Lücken verschwanden allmählig auf den früher öden Plätzen erhoben sich schöne Gebäude, der Ort wurde ein geschlossenes Ganze und gewann so an Freundlichkeit des Eindruckes.  Auch wurde für Vermehrung der Wohnungen durch Aufführung von Flügel-, Hof- und Gartengebäuden Sorge getragen. Die Zahl der Häuser belief sich 1842 bereits auf  74 Nummern.

Vor der Errichtung einer Pfarre und Schule

Da die Seelenzahl Marienbads jene von Auschowitz, wohin es noch immer eingepfarrt war, bereits überstieg, so dachte man an die Errichtung einer eigenen Pfarrei und den Bau eines Schulhauses. Abt Mahr that noch die nöthigen vorbereitenden Schritte und leitete die diesbezüglichen Verhandlungen mit den Behörden und der Gemeinde ein. Allein die Ausführung erlebte er nicht mehr. Ein Blutschlag machte seinem Leben im besten Mannesalter ein unerwartet schnelles Ende. Er starb in Marienbad am 9.September 1842.

(Fortsetzung.)

 

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